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Fuß fassen im deutschen Schulsystem
Erstelldatum23.11.2024
Jugendliche, die neu nach Deutschland kommen, fordert der Unterricht oft heraus. Das Crailsheimer Albert-Schweitzer-Gymnasium unterstützt ausländische Schüler deshalb in Vorbereitungsklassen. Artikel von Janine Höfler (HT)
Tanya Simon, Lehrerin am Albert-Schweitzer-Gymnasium (ASG) in Crailsheim, steht morgens in der ersten Stunde vor ihrer Vorbereitungsklasse. „Wie geht es dir heute?“, fragt sie eine Schülerin. „Ich bin entspannt“, antwortet diese ihr. Als Hilfe dient ihr eine Darstellung an der Tafel, die verschiedene Emotionen mit Gesichtsausdrücken veranschaulicht: entspannt, lustig, neugierig.
Das ASG in Crailsheim bietet zwei Vorbereitungsklassen (VKL) an. Darin lernen die Schüler nicht nur Deutsch als Zweitsprache, sondern auch, wie sie sich im Schulunterricht hierzulande zurechtfinden. „Die Kinder sollen Fuß im deutschen Bildungssystem fassen“, erklärt Lehrerin Simon. Wer noch keine oder wenige Deutschkenntnisse hat, beginnt in der VKL 2, bevor er als Fortgeschrittener in die VKL 1 wechselt, erläutert Lehrerin Simon. Als eine von fünf Lehrerinnen unterrichtet sie die Sprachförderungs- und Integrationsklassen am ASG.
Mehr als nur sprachliche Bildung
Insgesamt 19 Jungen und Mädchen nehmen die Angebote derzeit an. „Es ist eine sehr heterogene Gruppe“, berichtet Simon. Die Altersspanne der Teilnehmer reicht von elf bis 17 Jahren. Von China und Rumänien über Kasachstan und Togo bis hin zur Ukraine sind elf verschiedene Herkunftsländer vertreten.
„In der VKL 2 beginnen wir mit den Basics für kleine Kommunikationssituationen, die im Alltag auftreten“, erklärt Simon. Dazu gehört, sein Gegenüber zu begrüßen, sich selbst vorzustellen oder seine Gefühle auszudrücken. Wenn die Schülerinnen und Schüler in der VKL 2 Fortschritte machen, können sie in die VKL 1 vorrücken. Dort bauen sie ihre erworbenen Sprachkenntnisse aus. Denn wer in einer regulären Unterrichtsstunde mitmachen möchte, braucht den Wortschatz und auch etwas Vorwissen für Mathematik oder Naturwissenschaften.
„Letzte Woche haben wir das Leitbild unserer Schule anhand eines Lesetextes besprochen“, erklärt Simon. Die Schüler der VKL 1 suchen sich Wörter aus dem Text heraus und spielen damit ein Galgenmännchenspiel an der Tafel. Danach besprechen sie anhand des Textes Satzstrukturen der deutschen Grammatik.
Auch auf den Austausch untereinander legt Simon Wert. Nicht nur erklärt sie ihnen, Gewohnheiten und Feste, die es in Deutschland gibt. „Ein muslimischer Schüler hat zum Beispiel vom Ramadan erzählt: Was ist das? Was macht man da? Wie geht es ihm in dieser Zeit?“ Da die Besucher der VKL ganz unterschiedliche Muttersprachen sprechen, nutzt die Lehrerin immer wieder die Möglichkeit, Gemeinsamkeiten von verschiedenen Sprachen mit den Schülern zu suchen.
Schnuppern in Regelklassen
Die meisten Teilnehmer haben Spaß an den Vorbereitungsklassen und sind interessiert bei der Sache, auch, wenn ihnen das Deutschlernen unterschiedlich liegt. Noten verteilen die Lehrerinnen nicht. Sie beobachten die Fortschritte der Jungen und Mädchen und wägen ab, wann die Zeit reif für regulären Unterricht ist. „Voll integrierte Schüler werden wie reguläre Schüler behandelt, sie haben dann alle Fächer und werden benotet.“ Teilintegrierte Schüler dagegen schnuppern in eine deutsche Klasse hinein und werden nur in einzelnen Fächern unterrichtet.
„Der Wechsel von VKL in die Regelklasse ist der allergrößte und schwierigste Schritt“, teilt Tanya Simon mit. Denn wer sich Deutsch als Zweitsprache aneignet, der befasst sich vor allem mit Sätzen aus dem alltäglichen Leben. Doch der Unterricht erfordert Bildungssprache und somit ein anderes, anspruchsvolleres Vokabular. Eine 13-jährige Schülerin besucht inzwischen eine Regelklasse und hat Spaß am Unterricht dort. „Zuerst habe ich nicht alles verstanden, aber mit der Zeit immer mehr“, erzählt sie.
„Je nach Alter und Persönlichkeit kommen noch viele Herausforderungen hinzu“, gibt Simon jedoch zu bedenken. Erfahrungen mit Krieg und Flucht, Väter an der Front oder im Krieg gefallene Familienmitglieder – solche Erlebnisse beschäftigen einige der Schüler in den Vorbereitungsklassen. Es sei sinnvoll, die regulären Klassen zu informieren, bevor die Jungen und Mädchen aus den VKL zum ersten Mal in den Unterricht kommen. Bei Bedarf vermitteln die Lehrerinnen Beratungsgespräche mit den Schülern und helfen ihnen, gegebenenfalls eine andere, geeignetere Schulform zu finden.